Ruth geht gleich als Erstes zum Salat. Unsere Frühstücksgäste sind noch gar nicht da. Den Kaffee trinken wir nebenbei. Eigentlich würde ich schnell noch Eine rauchen. Die Zeit, erst runter zu gehen, ist dafür zu kurz. Ich gehe auf die Toilette und öffne dort das Fenster. Die neue Raucherinsel; das Scheißhaus. Wenn unsere Gesetzgeber wirklich unsere Gesundheit und damit unser Leben lieben, würden sie wohl als Erstes die Sechs-Tage-Woche abschaffen und die Sauferei verbieten. Die Arbeiter sterben wegen Stress und Misshandlung. Nicht wegen des Rauchens. Das ist ein Pseudoalibi.
Kaum bin ich zurück, stehen schon unsere ersten Kunden am Buffet. Sehe ich mir die Kunden in einer Reihe an, muss ich feststellen, dass Mulatten und Neger die schönsten Menschen sind. Ich bekomme fast Minderwertigkeitsgefühle. Das Lächeln dieser Menschen ist ehrlich und sieht schön aus. Ich muss mir fast immer eine Hand vor den Mund halten. Meine Kunden sollen die Zahnlücken nicht sehen. Sie lachen mich sonst aus. Ein Koch in einem reichen Land hat Zahnlücken. Peinlich. Sie haben keine. Wenn sie hier bleiben, brauchen sie zehn Jahre und sie haben auch welche. Ein Leben lang, Krankenkasse bezahlt und als Rentner, keine Zähne. Ich frage mich, wer das Geld klaut. Wir haben in der DDR nicht mal die Hälfte in die Krankenkasse bezahlt. Bei uns war Gesundheit ein gesellschaftliches Anliegen. Hier rennen wir mit einem Portemonnaie zum Arzt. Ist der jetzt ein Arzt oder ein Geschäftsmann? Dann lass‘mer das eben den Markt entscheiden, wer uns die Zähne ersetzt.
Als Frühstückssuppe habe ich heute eine süße Suppe gekocht. Und schau, ich muss nachkochen. Puddingsuppe scheint ein Renner zu sein. Schokopudding. Zwischendurch muss ich schnell mal kontrollieren, wie der Gulasch und meine gefüllten Zucchini aussehen. Die Zucchini sind fertig. Ruth riecht sie und fängt gleich an zu schlucken.
„Ich habe genug. Du kannst ruhig probieren.“
Nach dem Frühstück trinken wir zusammen richtig Kaffee und wir essen etwas Kuchen, der noch übrig ist. Wir sind die Resteverwerter. Sozusagen, die Schweine der Essenausgabe. Damit sparen wir uns etwas Geld und müssen kein Essen kaufen. Bei unseren Westbesatzern müssten wir das versteuern. Pauschal. Die schätzen das. Selbst Abfall wird bei den Faschisten versteuert. Und die wollen Kommunisten schlecht machen.
Jetzt haben wir Zeit, nach Unten zu gehen und eine richtige Rauchpause einzulegen. Kaum sind wir Unten, kommt Alois. Er kommt nicht allein. Mit ihm kommen meine Chefs. Die haben sich bis jetzt, nicht vorgestellt. Man trägt Anzug.
„Wir müssen mit Dir mal kurz reden“, sagt Alois.
Wir gehen gemeinsam hoch in die Küche. Vor der Küche, im Speiseraum, wartet die Besitzerfamilie des Betriebes. Ich stehe abseits und man streitet.
Das Ergebnis des Streites bekomme ich umgehend von Alois gesagt.
„Die Familie hat die Pacht ausgeschrieben und wir haben verloren.“
Ich höre noch ein paar Brocken wie:
„Wir haben doch jetzt einen guten Koch. Was wollt Ihr mehr?“
„Zu spät. Wir haben uns gekümmert.“
Die gehörten Worte sagen mir, ich sollte denen einen versauten Pachtvertrag retten. Und jetzt?
„Alois. Was ist jetzt mit mir?“
„Ja. Deinen Job hat jetzt ein Anderer.“
Das muss mir eigentlich Keiner zwei Mal sagen.
„Dann wird sicher der Andere mein Essen ausgeben heute.“
„Ne. Bleib und wir werden uns kümmern.“
„Wie? Habt ihr einen Ersatz für diese Arbeit?“
„Nein. Jetzt nicht.“
„Na dann. Tschüss!“
„Wir können Nichts machen, Herr Karl,“ sagte mir der Chef des Pachtunternehmens.
„Lohn für die zwei Tage?“
„Wir überweisen das. Geben Sie mir mal das Konto.“
Ich zeige ihm meine Karte und er schreibt die Nummer auf.
„Die Fahrtkosten habe aber ich bezahlt bis jetzt.“
„Die überweisen wir mit.“
Ich frag mich, ob die überhaupt ein Geld in der Tasche haben.
Jetzt packe ich, verabschiede mich, gehe zum Auto und verschwinde. Bis dahin war kein Vertrag unterzeichnet. Ich sollte den Lückenbüßer darstellen.
Die Zeit ist günstig. Es ist wenig Verkehr. Bis der Mittagsverkehr einsetzt, habe ich noch zwei Stunden Zeit. Das garantiert eine kurze Reisezeit zum Reschen.
Alfred ist überrascht als ich schon da stehe.
„Schon wieder Schluss?“
„Ich hab sie mit ihrem Essen stehen lassen. Sie wollten mich ersetzen.“
„Naja. Das klingt, als wollten die Dich gar nicht einstellen.“
„Joana war schon skeptisch.“
„Am besten, Du schickst Joana, Dir eine Arbeit versorgen.“
„Im Moment kann ich es noch. Aber, der Ratschlag ist nicht schlecht.“
„Wie fühlst Du Dich den jetzt als Zuhälter?“
Alfred lacht.
„Ich muss jetzt ganz schnell schauen, ob die Stellen schon besetzt sind, auf die ich mich beworben habe.“
„Mach hin!“
Ich gehe kurz bei Marco vorbei. Er bietet mir etwas zu Essen an.
„Ich habe gerade Kuchen gehabt. Danke.“
„Ich habe heute Vorspeisenbuffet. Anreisetag.“
„Hast Du Alles fertig?“
„Ja. Danke für Dein Angebot.“
„Ich gehe dann mal rauf.“
„Joana kommt gleich mit ihren Kolleginnen.“
Ich gehe mich ins Zimmer verdrücken. So richtig groß ist die Enttäuschung nicht. Ich hätte bei dieser Tätigkeit keine zwölfhundert Euro verdient.
Joana kommt aufs Zimmer. Sie weiß schon Bescheid. Ihre Enttäuschung hält sich auch in Grenzen.
„Zur Feier des Tages könnten wir ja mal ausgehen heute“, sage ich zu Joana.
„Wohin willst Du denn gehen?“
„Zu Ingrid in den Imbiss und zur Tankstelle zum Essen.“
„Das ist ein guter Einfall.“
Ingrid ist zwar ein Imbissbetrieb. Aber zu Essen hat sie nichts außer ein paar Keksen. Dafür hat sie aber einen guten Kaffee. Unsere Landsleute gehen auch gern Lotto spielen bei ihr. Zumindest erfahre ich dort die neuesten Nachrichten und bisweilen auch Stellenangebote aus der Umgebung. Ingrid hat bis auf den Kaffee und ein paar schöne Nachrichten, Nichts zu bieten. Also, gehen wir in die Tankstelle zu unseren türkischen Freunden. Uns begrüßt Agnes, ein ehemaliges ungarisches Zimmermädchen und Kollegin Joanas, die einen türkischen Kellner geheiratet hat. Yusuf, ihr Mann, ist jetzt der Chef in der Tankstelle. Wir setzen uns etwas in den hinteren Raum. Dort stehen Spielautomaten. An den Automaten stehen die alten Bekannten. Meist Saisonarbeiter aus den Skibetrieben. Alle grüßen freundlich und wollen wissen, wo ich jetzt arbeite. Kaffee aus dem Automaten und ein paar mit Schnitzel belegte Brötchen, sind unser Abendessen. Bis zur Schließung der Tankstelle ist das unser heutiger Ausflug.
Komisch. Ausgerechnet bei Gastarbeitern aus aller Herren Länder, findet Unsereins sofort Freunde und Gesprächspartner.