Tag 64 Fortsetzung


Gelegentlich klingelt das Telefon. Ich stelle mich vor und zähle an diesem Vormittag, rund zehn mal auf, in welchen Firmen ich bisher gedient habe. Das steht in meiner Email. Die Ochsen lesen das nicht mal! Es sind Hoteliers dabei, bei denen ich mich schon einmal bewarb. Ich frage sie, ob sie sich auch mal Notizen machen und mit dem befassen, was ich sage. Ich komme zu der festen Überzeugung, dass die das nicht interessiert. Was interessiert die? Was suchen diese Affen?

Einen Vormittag Bewerbungen versenden und Telefonate führen, kann einem schon ganz schön zusetzen. Mit wem spreche ich? Sind überhaupt kompetente Personen dabei? Zwei Mal rede ich mit einer Sekretärin. Seit wann sucht ein Unternehmer einen Koch mit seiner Sekretärin. Ist der Sekretärin etwa die Unterwäsche mit zu kochen? Hat die Tante jemals einen Topf in der Hand gehabt? Kennt die überhaupt den Unterschied zwischen Rind- und Schweinefleisch? Ich sage ihr, dass ich mit ihr sicher nicht über die Küche reden kann und lege auf. Verarschen kann ich mich selbst. Die letzte wollte glatt wissen, ob ich für siebzig Gäste kochen kann. Warum bewerbe ich mich um die Stelle? Etwa, weil ich bei der Tante zu Hause heizen oder das Bett aufschütteln will?

Die Hälfte der Anbieter einer Stelle als Koch gibt lediglich die Telefonnummer an. Die rufen zurück. Bei den Rückrufen merke ich schnell, warum sie so suchen und nicht direkt. Spätestens bei der Vorstellung und Besichtigung des Betriebes, wird klar, warum die anonym suchen. Irgendwie habe ich trotzdem den Glauben, ich würde dabei mal ein Goldenes Ei finden. Jede Saison das gleiche Spiel. Ich nehme mir schon fast vor, diese Trolle bewusst zu verarschen. Eigentlich müsste man sich bei denen für elfhundert Euro bewerben und denen an einem Abend das Essen versauen. Richtig versauen bei vollem Haus. Was glauben diese Vögel, wer sie sind? Hätten die ihren Beruf richtig gelernt, könnten sie auch kochen.

Das Zimmertelefon klingelt. Alfred ist dran. „Komm etwas Essen, mei Gutster“, ruft er ins Telefon. Es ist Personalessenszeit. Ich gehe runter. Alle sind da. Joana auch. „Wie geht es vorwärts?“fragt Alfred. Er isst heute mit dem Personal. „Nur Arschlöcher am Telefon!“, antworte ich kurz angebunden. Alfred sieht es mir an. Er stellt mir ein Riesenstück Schokotorte vor die Nase. „Iss das. Das beruhigt die Nerven.“

„Da fehlt noch ein dreifacher Obstler. Das ist nur im Suff zu ertragen. Außerdem kann ich so die Landessprache sehr gut nachahmen.“

Joana und ihre Kolleginnen lachen.

Der Schokoüberzug auf der Torte ist einen Zentimeter dick. Wer macht noch solche Torten?

„Von wem ist die Torte, Alfred?“

„Von Marco.“

„Ich hab mich gefragt, wer noch Schokotorten mit so einem Überzug herstellt.“

„Marco verkauft davon vier Torten am Tag.“

„Naja. Damit ist sein Gehalt ja schon zur Hälfte bezahlt.“

Alfred muss schon wieder lachen.

„Nicht ganz. Eine oder zwei Torten geben wir auf das Kuchenbuffet.“

„Bei den verhungerten Westdeutschen wird davon sicher kein Stück zurück kommen.“

„Woher weißt Du das?“

„Weil ich dieses Gesindel aus der besetzten DDR kenne. Die kaufen nichts.“

„Stimmt. Die Torten kaufen nur Holländer und Italiener.“

„Die sind beim kostenlosen Kaffeetrinken sicher die Letzten, die kommen.“

„Zum Kaffeekränzchen sind nur Deutsche da.“

„Das hab ich mir fast gedacht.“

Marco fragt mich, ob mir die Torte schmeckt.

„Natürlich. Du hast auch genug Rum drin. Soll ich Dir noch etwas helfen?“

„Ich mach heute als Vorspeise ein Toastallerlei. Das könntest Du mir machen.“

„Habt Ihr voll?“

„Nur das Haupthaus.“

„Also, achtzig Portionen.“

„Das reicht.“

Ich gehe mit in die Küche und suche mir die Zutaten zusammen. Marco hat extra feines Stangenbrot bestellt. Mehrkorn, Sesam, Weiß und Mohn. Ein recht gutes Sortiment.

„Ich hole schnell mein Messer.“

„Nimm doch das Zackenmesser:“

„Nein. Das krümelt mir zu sehr.“

Ich werde Speck, Schinken, Salami und Räucherlachs als Toast legen. Auf den Speck gebe ich etwas Tomate, auf den Schinken, Ananas, auf den Lachs, Apfel und auf die Salami, Champignons. Abdecken tu ich den Toast mit Zillertaler Hartkäse. Der ist schön aromatisch. Marco kontrolliert das. Ich toaste eine Probe und verlege sie an etwas Feldsalat. Marco ist begeistert.

„So machen wir das!“

„Ich lege nur den Toast. Backen tust Du das doch abends.“

„Ja. Mir reicht das.“

Naja. So hab ich wenigstens den Tag gelebt. Und das nicht in Einsamkeit. Ich werde gerade zur Nachmittagsruhe fertig und gehe zusammen mit Marco. Er fährt mit dem Fahrstuhl mit nach Oben.

„Ich habe noch Etwas zu tun“, sagt er mir.

Ich schätze, er will noch bei einer Bedienung vorbei schauen.

„Pssst“, zeigt er mir. Ich nicke ihm zu.

Marco st der Hahn im Korb. Der hat‘s gut.

Im Zimmer setze ich uns den Kaffee an. Joana kommt mit einem Kuchen. Den hat ihr Alia, unsere Masseuse gebacken. Sie soll den mal probieren.

Wir besprechen meinen Sonntag und die Vorstellung. Joana ist skeptisch. Das reicht zur Einschätzung.

Ich vertröste sie auf Montag. Da möchte ich eine Vorstellungstour in Südtirol machen.

Der Kuchen von Alia ist ein Gedicht. Viele würden jetzt sagen, er wäre etwas zu süß. Ja, aber mein Kuchen, den ich esse, soll süß sein. Salzgebäck ist etwas für Säufer. Und das sind wir eben nicht.

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