Langsam verabschieden sich unsere Gäste. Die neuen Kontakte werden uns zukünftig helfen. Steffen bleibt mit mir und Mischa allein. Sie helfen mir beim Aufräumen. Wir trinken zusammen Kaffee dabei. Morgen müssen wir frisch sein. Mischa war auch Koch. Den hatte ich mit ausgebildet. Warum er den Beruf an den Nagel hing, hat eindeutig mit den Löhnen zu tun, die jetzt bezahlt werden.
„Davon kann ich nicht leben“, sagt er. Bei Steffen war das nicht viel anders. Die Selbstständigkeit war die einzige Rettung aus diesem Dilemma. Wir alle hätten sonst täglich vor dem besetzten Amt gestanden und um Geld oder Arbeit gebettelt. Und das ausgerechnet bei Denen, die uns beklaut haben.
Ich frage Mischa, ob er heute mal ein neues Hotelzimmer einschlafen möchte.
„Gern!“, hat er geantwortet.
Wir gehen alle zusammen hoch in die erste Etage. Dort sind noch Zimmer frei. In den anderen schlafen unsere Familienangehörigen, die noch da geblieben sind. Wir lachen leise, weil wir ein leichtes Schnarchen hören.
„Ich bin doch noch gar nicht auf dem Zimmer“, sagt Steffen leise. „Ist das etwa Karin?“
Er öffnet die Tür und Karin liegt zusammen mit Joana im Bett. Eng umschlungen. Karin mit gespreizten Beinen, nur halb zugedeckt. Joana mit dem linken Bein zwischen ihren. Das Bett liegt voller Dildos und Gummispielsachen.
„Oh. Die haben aber lange getestet“, sage ich zu Steffen.
„Hast Du noch ein Zimmer frei?“
„Aber sicher, Steffen.“
Ich gehe mit Steffen in die neu gebauten Dachzimmer. Ihm bleibt die Spucke weg. „Wunderschön!“
Wir sind ganz leise. Auf dem Fensterbrett steht ein Kauz mit zwei Jungen. Sie schauen uns ins Fenster. Neben unserem Hotel stehen riesengroße Linden. In diesen Linden habe die Käuze ihr Nest.
Die Drei wirken wie Silberstatuen. Die Mama kneift abwechselnd ein Auge zu. Sie rühren sich nicht. Wir schalten das Licht ab und ich gebe Steffen ein anderes Zimmer.
„Noch schöner. Mit Blick auf den Ort.“
Auf dieser Seite haben wir vier Kastanienbäume stehen. Das soll unser Biergarten werden.
„In vier Stunden müssen wir raus“, sage ich zu Steffen.
„Gute Nacht, Karl.“
Unsere Wohnung ist praktisch noch eine Baustelle. Im Nachbarzimmer schläft Rolf und Julia. Wir haben nur zwei Zimmer. Ein Bad und ein Schlafzimmer. Das Schlafzimmer ist schon eingerichtet. Die Möbel haben wir mit der Gaststätteneinrichtung gekauft. Wir haben beschissen. Das Riesenbett und der Riesenschrank waren es wert. Mehr brauchen wir nicht.
Die Dusche ist noch nicht ganz fertig. Ich muss die Fliesen noch fugen. Das große Waschbecken hat Rolf zuerst angeschlossen. Beim Aufdrehen des Warmwasser, kommt sofort warmes Wasser. Und das bei fast fünfzig Metern Leitung. Rolf hat eine fähige Pumpe eingebaut. Sehr gut. Ich bin zufrieden.
Der Morgen nach einem schnellen Schlaf wirkt sich auf uns unterschiedlich aus. Einige sind etwas launisch. Andere schauen extrem glücklich aus. Dazu zählen Karin und Joana. Die haben ein Gemüt heute früh. Mischa ist noch etwas besoffen und winkt ab beim Kaffeetrinken.
„Ich kann noch nicht fahren.“
Steffen ist noch nicht unten.
„Lass ihn noch etwas schlafen. Er braucht das.“
Karin steht in unserer neuen Küche und staunt.
„Ich brauche jetzt einen Grießbrei.“
Den hat sie schon an der Trasse gern gegessen. Mit brauner Butter und Zucker.
„Du bist der Koch“, ruft Joana und lacht.
Mein Gott. Wie schön sie aussieht, wenn sie lacht. Herbert hat mir ein Sternchen gegeben. Die Sorgenränder um die Augen waren wie weg geblasen. Joana strahlt wie ein Stern.
Andi und Rosi, unsere neuen Mitarbeiter, kommen pünktlich zur Arbeit. Beide sind gelernte Kellner.
Kellner haben in der DDR auch etwas Küche mit gelernt. Durch die Schließung ihres Betriebes wurden sie arbeitslos. Zur gleichen Zeit kommt auch Andrea zu uns. Andrea ist Mama und unser neues Zimmermädchen. Sie hat in einem Trikotagenwerk von Weltruhm gearbeitet. Außer dem Weltruhm ist ihr nichts geblieben. Das Werk ist geschlossen und die Maschinen wurden gestohlen. Andrea sagt, ihre Maschinen stehen jetzt in der Türkei.
„Da stehen sie wenigstens bei Menschen, die damit umgehen können“, antworte ich ihr.
Andrea ist eine hübsche Frau. Sie hat einen arbeitslosen Mann und ein Kind zu ernähren. Andreas Mann war Werkzeugmacher. Meister seines Faches. Solche Spezialisten brauchen Besatzer nicht. Zu teuer und, wenn er ein Meister ist, zu rot. Irgendwie hat ihm das den Rest gegeben. Jochen trinkt etwas zur Zeit. Andrea sagt, er muss Etwas arbeiten. Ich kann ihr im Moment noch keine Hoffnung machen. Wir wissen nicht, ob unser Betrieb ankommt und ob wir davon leben können.
Fortsetzung folgt
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