Ein sehr trauriger Zwischenfall führt zu einem Telefonat mit einer Bestellung für eine Trauergesellschaft. Unser Kreisparteisekretär ist gestorben. Das Haus, in dem er mit seiner Familie lebt, gehörte natürlich nicht ihm. Der neue Besitzer, ein Rechtsverdreher aus dem Westen, hat ihn wegen Eigenbedarf gekündigt. Wir bieten ihm sofort ein Zimmer an und andere Genossen, auch eine Übergangswohnung. Die Kündigung hat den Verfolgten des Naziregimes, den Geist aufgeben lassen. Zwei Tage vor seinem Tod, sagte er mir noch am Telefon, „das ist das zweite Mal, dass ich diesen Verbrechern gegenüber stehe.“
Die Trauerfeier halten wir unter der Woche ab. Die Genossen haben dafür die Tafel von Karl Liebknecht gewählt. Über vierhundert Gäste sind zugegen. Die verdeckte Gestapo der Besatzer ist auch dabei. Das Blumenmeer hat den gesamten Vorplatz belegt. Der Stadtrat fehlt komplett.
Vor drei Monaten, als ein Pfarrer, der die Wehrmacht an der Ostfront segnete, abtrat, haben sie den dreißigtausend Mark teuren Holzkasten durch den ganzen Ort geschleppt. Davor und hinterher, liefen zwanzig Jungen mit Bettelbüchsen. Der Pfarrer bekam monatlich vierzehntausend Mark. Seine vierzig Jahre jüngere Putzfrau und Nutte, erbt; auch das Bettelgeld. Unbefleckt, in Gottes Namen. Derweil leert sich der Ort. Aus einer Stadt wird ein Dorf. Aufbau Ost. Den Politikern muss jetzt etwas einfallen. Nach kurzer Überlegung fällt ihnen ein, in Russland leben Deutsche. Die stecken wir jetzt in die leeren Wohnungen.
Gedacht, getan. Mit den Donkosaken am Wochenende, kommen reichlich Russen, die meinen, sie wären Deutsche.
Unser Ort bekommt sein erstes Ghetto. Die Hauptstraße ist poliert. In den Ecken stinkt es. Zwei Jahre und die Westkultur hat gewonnen. Der Pfarrer geht jetzt Streife mit einem selbst erklärten, orthodoxen Schwinger von Räuchertöpfen.
Deutsch – Sowjetische Freundschaft in Wendezeiten.
Fortsetzung folgt