Fortsetzung Der Saisonkoch – Sommersaison


Der Wecker Joanas klingelt wie immer gegen Vier Uhr. Nur Bäcker stehen um diese Zeit auf. Joana möchte zur Arbeit ausgeschlafen sein. Halb Sechs fährt sie los. Bis dahin haben wir ein paar Minuten. Wir können zusammen Kaffee trinken und uns über den Vortag unterhalten. Ich hätte fast Lust, um ihre Zeit auch auf Arbeit zu fahren. Wegen dem Verkehr. Der ist um diese Zeit ziemlich ruhig. Lastwagen begegnen uns um diese Zeit wenig. Und wenn, ist immer noch genug Raum, die zu überholen.

Wir brechen zusammen auf. Im Hotel kann ich mich immer noch etwas hinlegen. Ich packe mir einen Laptop ein. Wenn ich keine Ruhe finde, kann ich mir einen langweiligen Film anschauen. Von denen gibt es genug auf meinem Speicher. Gute Einschlaffilme. Man könnte den Regisseuren äußerst dankbar sein, auch an die Pausen der Saisonarbeiter gedacht zu haben.

Wie üblich zu der Zeit, begegnen mir Bäcker und Frühstückskräfte der Hotels. Deren Lichtkegel verschaffen mir auch an unübersichtlichen Stellen genug Überblick. Ich komme recht zügig im Almer an. Agnes ist schon in der Küche. Allein. Leo deckt die Tische für das Frühstück. Die Zwei sind noch richtige Unternehmer.

Bei der Gelegenheit vereinbaren wir meine Vorbereitungen für das Frühstück. In Zukunft wird Agnes damit gewaltig entlastet. Ich schneide und lege ihr die Frühstücksteller. Leo hat einen schönen Carrello, in den ich die fertigen Teller einhängen kann.

Der stammt wahrscheinlich noch aus den besseren Zeiten des Hotels. Die Räder quietschen etwas. Leo schämt sich dafür. Er nimmt ein Ölspray und beseitigt das Geräusch.

Nach der Frühstücksvorbereitung bricht Agnes auf.

„Ich muss in die Schule.“

„Wo ist die?“

„In Eppan.“

„Das ist ja gleich um die Ecke.“

Wir lachen zusammen.

Einen Vorteil hat der lange Weg. Agnes kann unterwegs die günstigsten Angebote einkaufen. Sie kommt an reichlich Genossenschaften vorbei, die uns heimisches Obst und Gemüse anbieten. Sämtliche Metzger und Händler Südtirols befinden sich auf ihrem Arbeitsweg. Sie muss eigentlich nur wissen, welche Menüs ich kochen möchte.

Natürlich gibt es auch im Ort reichlich Anbieter von Gemüse. Auch gleich in der Nachbarschaft. Dort wachsen wenigstens die frischen Kräuter in Hülle und Fülle. Für unser Obstangebot sorgt auch der Vater von Agnes. Er ist Apfelbauer und hat auch ein paar andere Bäume im Garten stehen. Neben reichlich Kirschen und Birnen, entdecke ich Zwetschgen. Ich meine nicht die Pflaumen, die im Westen als Zwetschge bezeichnet werden. Ich meine die wilden runden, gelben, grünen oder weinroten – kirschähnlichen Zwetschgen. Die Quetsche, wie sie bisweilen an deutschen Tischen genannt wird. Köche lieben irgendwie den feinen Unterschied. Der da, ist aber in meinen Augen schon gewaltig. Warum die Zwetschge ausgerechnet in Österreich, wo jedes kleine Stück Fleisch einen eigenen Namen bekommt, so verallgemeinert wird, bleibt mir ein Rätsel. Meine bisherigen Österreichischen Kollegen waren am Feierabend selten ansprechbar zu diesem Thema. Sie waren alle schon vor dem Feierabend strotz besoffen.

Wie die meisten ihrer Chefs. Die haben sich aber immer gut verstanden untereinander. Diese Art Verhältnis hat sich bisweilen auch bei uns in Südtirol eingebürgert. Für uns Saisonarbeiter ist dieser Zustand nicht besonders glücklich. Wenn wir einen Arbeitsunfall oder Streit haben, verfügen wir über zu wenig Zeugen. Wobei, erpresste und um ihre Arbeit fürchtende Mitarbeiter, Alkoholikern durchaus ebenbürtig sind. Das offene Tor für Meineid und Widerspruch.

In der aktuellen Situation habe ich das nicht zu befürchten. Die Zwei sind fleißig und recht ehrlich. Gute Chefs und Kollegen.

Meine zwei Chefs teilen sich etwas in die Arbeit. Agnes verabschiedet sich abends etwas zeitiger, während Leo bis zum letzten Gast durchhält. Leo trinkt nicht. Und das finde ich wirklich gut in unserer Branche.

Autor: dersaisonkoch

Meisterkoch der DDR

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