
„Können wir wenigstens noch das Abendessen von Heute servieren?“
„Ja. Sicher.“
Claudia scheint nicht zu kommen. Sie hat das doch nicht etwa im Volksmund erfahren. Der ist bekanntlich schneller als die Gerichtsvollzieher.
„Wir wollten das Hotel restaurieren.“
„Was? Zusätzlich zu der Miete? Das ist doch die Aufgabe des Besitzers.“
„Die wollten das nicht. Wir haben mehrmals hin geschrieben.“
„Also. Die haben euch eine Ruine für das Geld pro Monat vermietet und wollten es nicht restaurieren. Und das, nach dem Beweis von euch, dass dieses Haus gut besucht wird und ihr fähig seid, ein solches Objekt zu führen.“
„So in etwa, kann man das beschreiben.“
„Was habt ihr jetzt vor?“
„Wir bewerben uns um ein neues Objekt. Es gibt reichlich Angebote. Bleib bei uns.“
Und jetzt habe ich den größten Fehler meines Lebens gemacht. Ich habe abgelehnt. Aus Angst und Unkenntnis. Wir haben einfach keinen Ansprechpartner gefunden, der uns sagt, wie man sich hier am besten in dieser Situation verhält. Jedes Land hat andere Gesetze. Joana und ich sind in der Beziehung ziemlich hilflos. Frei nach dem Sprichwort: Hilf dir selbst, sonst hilft dir Keiner, habe ich mich umgehend bei einer neuen Arbeitsstelle beworben. Ich rufe sofort die Betriebe an, die vor drei Tagen noch gesucht haben. Und siehe, es hat sofort funktioniert. Ich sage das Leo und Agnes. Beide freuen sich mit mir. Die geben mir ein paar Hinweise mit auf den Weg. Auch in Beziehung zu Betrieben, bei denen ich mich beworben habe. Leo hat nicht gespart. Beide geben mir ein gutes Handgeld.
„Das ist dein Trinkgeld von unseren Gästen. Wir haben es aufbewahrt“, sagt Agnes.
„Du kannst auch bei den Eltern von Agnes etwas in der Landwirtschaft helfen“, bietet mir Leo an.
Ich muss gestehen, Landwirtschaft habe ich gelernt. Bauer und Gärtner habe ich in der DDR gelernt. In einer Baumschule. Wir haben genau das angebaut, was hier in Südtirol auch angebaut wird. Erdbeeren. Neben den Erdbeeren haben wir natürlich auch Gemüse, verschiedene Bäume und Sträucher angebaut. Warum ich ausgerechnet das abgelehnt habe, bleibt mir ein Rätsel. Ich glaube, ich habe wegen unseres Darlehens abgelehnt. Die Furcht, nicht genug Rücklagen für die Zeit außerhalb der Saison zu haben, lässt mich zweifeln. Dazu kommt, ich traue meinen neuen Gastgebern nicht. Wir sind einfach zu oft belogen worden.
Gleich in der Nähe sucht ein Gasthof einen Koch. Die möchten mit mir zusammen arbeiten. So klingt es am Telefon. Die Stimme am Telefon ist weiblich.
Hier ist es fast wie bei uns Beiden. Joana ist die Einzige in unserer Familie, die von meinen Ansprechpartnern verstanden wird. Ehrlich gesagt, verstehe ich auch kaum meine männlichen Ansprechpartner hier in Südtirol. Offensichtlich hängt unser Geschlecht mehr an der volkstümlichen Aussprache. Frauen hingegen, neigen etwas zum Hochdeutsch. Sie können sich besser anpassen. Die große Politik scheint das zu wissen. Unter Anpassen meinen die, Menschen zu benutzen, die sich einem Diktat leichter zu beugen scheinen. Das scheint auch bei den femininen Männern zu funktionieren.
Wir verabreden uns sofort. Leo freut sich für mich und ruft gleich dort an. Man begrüßt sich freundlich, wie scheint.
„Sie erwarten dich. Ich habe ihnen gesagt, was du kannst.“
„Was ich kann, ist bei uns hier nicht so wichtig. Wir kaufen alles fertig und schrieben hausgemacht in die Karten.“
Leo muss lachen.
Das Motorrad wird nicht warm bis zu meinem neuen Arbeitsplatz. Es ist ein Gasthof. Feldzauber steht am Eingang. Wenn das kein Zauber ist.
Drinnen werde ich natürlich erwartet. Vom Chefkoch persönlich.
„Ich bin krank und möchte mit dem Beruf aufhören“, sagt Konrad zu mir.
Wenn ich ihn mir genau anschaue, hat er Recht. Er sieht wirklich leidend aus. Ein paar junge Kollegen huschen durch die Küche. Südtiroler sind keine dabei. Die Küche ist relativ sauber. Wie scheint, ist der Betrieb gut besucht. An Technik sehe ich eigentlich alles, was sich ein Koch wünschen würde.
„Die Küche hast du eingerichtet?“, sag ich zu Konrad.
„Frag mich nicht.“
Eine typisch Südtiroler Antwort, die einen zwingt, sich den Rest selbst zusammen zu reimen. Die eigenen Erlebnisse werden wir dann unseren Nachfolgern auch nicht preisgeben. Das ist gelebte Nichteinmischung. Neutralität.
Eigentlich muss er mir nichts sagen. In seinem Gesicht sehe ich fast seine gesamte Laufbahn in diesem Betrieb. Und die kann wirklich nicht lange gedauert haben. Der Kollege wirkt erlöst.
Trotzdem muss ich sagen, was den Einen erlöst, muss nicht das Grab des Anderen sein. Die Organisation der anliegenden Arbeit ist das Geheimnis des Küchenglücks. Damit ist auch gesagt, wie die technische Ausrüstung zu sein hat. Die technische Ausrüstung der Küche muss so beschaffen sein, dass die anliegende Arbeit von einem Koch problemlos, an einem Posten, erledigt werden kann. Wer also Küchen schon für zwei Köche in zwei Posten einrichtet, plant schon mal die falschen Küchen. In diesem Fall dürfen wir eher davon ausgehen, im Verkauf von Technik die Arbeit des Einrichters zu suchen.
Kein Koch hat je gesagt, er könnte seine Aufgabe nicht in der Reihe von zwei oder mehreren Kollegen erledigen. Das nennt sich Küchen- oder Anrichtestraße. Ähnlich einem Fließband. Ein gut organisierter Koch kann schon locker mehrere hundert Essen zubereiten, anrichten und ausgeben. Auch a la carte. Er muss eben nur analysieren, welche Speisen, Handlungen und Produkte die meiste Zeit erfordern. Und dort muss dann angesetzt werden. Es gibt für Alles, technische Möglichkeiten. Und wenn nicht, wird eben improvisiert.

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