Ich kann also bei Ulrike arbeiten. Das wird heute der Abenddienst sein. Auf meine Frage, ob denn für mich irgendwo ein Bett stünde für die Zimmerstunde, bekomme ich eine Anlehnung. Ich muss also vier Wege kalkulieren. Und das ist ziemlich teuer.
„Was werde ich denn hier verdienen?“
„Sag uns, was du zuletzt verdient hast.“
„Naja; mit einem Personalzimmer musste ich zur Zimmerstunde nicht nach Hause fahren. Dafür hat mir Leo anfangs, Zwei – Drei geboten.“
„Aber Leo ist pleite.“
„Das würde ich so nicht unterschreiben. Aber; ohne Zimmerstunde im Haus möchte ich natürlich die Bewegungskosten vergütet haben. Sprich, Zwei – Acht.“
„So viel können wir nicht zahlen.“
„Dann tut es mir das Leid.“
„Ich frage Florian.“
„Natürlich geht das“, sagt Florian, nachdem er die Küche betritt.
Ich weiß jetzt nicht, ob er das aus Not sagt und weiter sucht oder ab er es ernst meint. Wenn er kein Pächter ist und das Haus besitzt, ist mein Wunsch durchaus realistisch. Als Pächter hätte er damit schon ein paar Probleme. Obwohl. Wenn ich mir die Preise in der Karte anschaue, ist das schon möglich. Der Materialeinsatz liegt bei zwanzig Prozent. Köche können das leicht beurteilen. Zumindest jene, die sich etwas mit Einkauf und Preisen auskennen. Sehr oft hören wir den Vorwurf: Du lebst davon. Trotzdem hat Keiner gesagt, die Gäste müssen das nehmen. Preise sind ein Angebot. Nichts weiter.
Heute habe ich eigentlich noch mal Glück. Ich kann bei Leo in meiner Zimmerstunde ruhen.
Im Grunde müsste ich mich nur neu einrichten. Pünktlich um Neun abends raus und morgens, um Zehn anfangen. Das wären elf Stunden, wenn es gelingt. Sind Sechs und Sechzig die Woche. Die Fahrzeit wird etwa dreißig Minuten betragen. Mal zwei, ist eine Stunde.
„Wann ist den Ruhetag?“
„Samstag.“
Bei dem Ruhetag gehe ich davon aus, wir leben größtenteils von den Arbeitermenüs. Samstag ist zu dem, Zimmerwechsel bei den Hausgästen.
„Für unsere Hausgäste kochen wir etwas vor. Ein Anreisemenü.“
„Wer gibt das aus?“
„Eine Nachbarin.“
Ich schätze, sie ist ein Familienmitglied.
„Kann sie etwas kochen?“
„Du musst das nur vorbereiten.“
„Alles klar.“
Meine Zimmerstunde – heute, fällt ins Wasser. Ich bereite noch ein paar Speisen für das a la carte vor. Die Kollegen sind schon weg. Sie kommen siebzehn Uhr wieder. Ich denke, sie wohnen im Ort oder in der Nähe.
Mit der Karte in der Hand gehe ich die Vorbereitung prüfen. Im Büro frage ich kurz, was denn so die Renner sind. Florian druckt mir die Renner aus. Endlich ein Kollege, der mitdenkt. Im Kassenbericht lässt sich das leicht finden und sortieren.
„Ein Kollege hat mir das programmiert. Ich kann so das gesuchte Journal ausdrucken.“
„Danke.“
Mit der Liste in der Hand, prüfe ich noch einmal. Das Fleisch muss noch geschnitten und geklopft werden. Im Journal ist auch die Hauptzeit sichtbar. Die hat mir Florian mit ausgedruckt. Zwischen halb Sechs und Sieben ist der Druck am größten. Wie scheint, verkehren bei uns viele deutsche Touristen. Die essen zeitiger als unsere Landsleute.
„Gibt es im Ort so viele Ferienwohnungen?“
„Ja.“
Ulrike kontrolliert gerade, was ich tue. Sie hat sich extra ein Parfüm angelegt. Joana würde jetzt zornig schauen oder laut lachen.
„Du hast ja keine Kochhosen an.“
„Die sind mir zu teuer. Die sind auch sehr schlecht geschnitten und passen nicht.“
„Ist das erlaubt?“
„Mich hat noch Keiner deswegen ermahnt.“
Ich finde die Fragen etwas komisch. Mir legt niemand ein grünes Heft mit den HACCP – Bestimmungen vor. Darin ist lediglich von sauberer Wäsche und grob, von Körperhygiene die Rede. Die echten Hygienebestimmungen von früher, wurden alle gekippt. Die gibt es nicht mehr. Das nennt sich jetzt Eigenkontrolle. Der Dreckfink kontrolliert jetzt selbst, ob er dreckig genug ist. Das ist doch wirklich eine fortschrittliche Errungenschaft nach reichsdeutschen Maßstäben. In ihrer Propaganda regen die sich pausenlos über dreckige Türken und Chinesen auf. Trotzdem gehen sie nur bei Ihnen Fressen. Weil sie dort kein Besteck benötigen.
Das Abendgeschäft ist ziemlich belebt. Mehrere hundert Essen. Den Rechnungen nach, könnte man denken, die saufen nicht mehr, die Deutschen. Bei uns saufen sie nicht. In den Kaufhallen des Landes schon. Bekanntlich ist hier der Fusel billiger als im Reich. Und wo es billig ist, kann man die Leber auch nachhaltig kurieren. In der Sonne machen sie dann aus der knallroten Nase, eine weinrote. Die leuchtet nicht so streng. Das gelbe Weiße der Augen kann man auch nachts, gut mit einer Sonnenbrille behandeln. Bei der Leber braucht es etwas länger. Zum Glück gibt es reichlich Frischlieferanten von den Schlachtfeldern des Reiches. Im Westen des Reiches ist das eine der gefragtesten Behandlungen. Die Ärzteschaft hat in den Breiten gute Erfahrungen gesammelt.
Der Feierabend ist schnell erreicht. Das flotte Geschäft lässt die Zeit schnell verstreichen. Auch die Überstunden. Florian kommt in die Küche mit drei Bier auf dem Tablett. Ich habe schon den Helm in der Hand. Ich freue mich immer wieder, noch Betriebe zu finden, die einer alten Tradition nachgehen. Dem Feierabendbier für Köche. Slavko setzt an und weg ist das Ding. Ein Schluck und ich bekomme Bedenken, das Glas würde gleich mit verschwinden.
„Trink mein Bier mit“, sage ich ihm.
Florian schaut überrascht.
„Ich bin mit dem Motorrad.“
„Ach so.“
Bei der Bemerkung wundert mich auch nicht, warum ich ziemlich oft kontrolliert werde auf meinen Heimwegen. Zum Glück kennen mich die meisten Vinschger Polizisten. Die wissen bereits – ich trinke nicht.
Die Heimfahrt ist ein Genuss. Der Vinschger Wind reinigt die Luft. Der Dreck liegt jetzt in Meran und Umgebung. Kastelbell ist schön beleuchtet. Im Ort kommt mir schon wieder ein bulgarischer Lastwagen entgegen. Hat der die Autobahn nicht gefunden?
Der fährt die Enge am Gasthaus Oberwirt zu knapp. Der Oberwirt hätte beinahe neu bauen können. Jetzt schaukelt der Fahrer den Kasten hin und her. Selbst um diese Zeit bildet sich in der Zeit ein Stau. Zwei Lastwagen aus Richtung Meran. Hinter mir ein Lastwagen aus Richtung Reschen. Wie scheint, will Keiner nachgeben. In knapp fünf Minuten sind die Carabinieri da. Die haben das sicher gehört. Ihr Stützpunkt befindet sich in unmittelbarer Nähe. Zum Glück. Ich hätte sonst die halbe Nacht hinter diesen sturen Deppen gestanden. Die Anwohner dieser Gegend schauen schon alle aus dem Fenster. Manche stehen schon vor dem Haus. Viele schütteln mit dem Kopf. Und ich dachte, das wäre ein Geburtsfehler in Südtirol. Jetzt weiß ich, es ist ein Verkehrsfehler.
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