
Bis zum kommenden Morgen musste ich schnell schlafen. Die Nacht ist vier Uhr vorbei. Eine Stunde brauche ich zum Aufwecken. Als Motorradfahrer muss ich ja für die Träumer im Auto mitdenken. Verschlafen geht das nicht. Gerade am Morgen ist die Gefahr am größten. Deswegen fahre ich gegen fünf Uhr. Ich lege mich im Zimmer noch einmal hin.
Joana geht zusammen mit mir aus dem Haus. Sie muss vor dem ersten Gast, das Foyer und die Toiletten sauber haben. Bereits der erste Gast, wird diesen Zustand sichtbar ändern. Mindestens einmal pro Woche ist die frisch gereinigte Toilette bis Oben voll geschissen. Nicht selten auch die Fließen um die Toilette. Offensichtlich wollen selbst diese Schweine, die Ersten sein und eine blitzsaubere Toilette mit ihren Marken versehen. In den vielen Jahren meiner gastronomischen Tätigkeit bin ich zu der Einsicht gekommen, in der Gastronomie besonders viele Dreckfinken getroffen zu haben. Gastronomie scheint deren Treffpunkt zu sein. Auch die Hotels. Wir müssen das natürlich besonders desinfizieren und reinigen. Wir schlagen die Dreckfinken mit ihren eigenen Waffen. Leider wird der Schaden, den sie uns damit zufügen, nirgends vergütet. Desinfektionsmittel sind keine Heilmittel. Im Gegenteil. Sie zerstören die körpereigene Immunität.
Die Fahrt ins Eggental beginnt für mich auf der MEBO.
Die Schnellstraße zwischen Meran und Bozen wirkt um diese Zeit wie ausgestorben. Ich treffe nur Nachtwächter und Bäcker. Vielleicht auch ein paar Frühstücksköche und Bedienungen. Diese Arbeit wird meist von Frauen ausgeübt. Die können Auto und Scooter fahren. Bürokräfte wecken den ganzen Tag nicht auf. Deren Verkehr ist bedeutend gefährlicher für Zweiradfahrer.
Das Haus ist dunkel. Ich muss mit dem eigenen Schlüssel hinein schleichen. Auch ins Zimmer. Das ist wenigstens warm genug. In den Nördertälern ist es im Juni noch empfindlich kalt. Wir haben keine zehn Grad. Nörderseiten sind die Seiten der Berge, die wenig bis keine Sonne abbekommen. Die zeichnen sich durch lang anhaltende Feuchtigkeit aus. Für Zweiradfahrer ist das ein Alptraum. Die Straßen wirken glitschig. Jedes Pflanzenteil wird zu einer Art – Ölspur. In der Nacht kommen noch eine Unmenge Steinschläge dazu. Die meisten sind scheinbar klein und unbedeutend. Für Autofahrer. Die Steinschläge sind verantwortlich dafür, dass wir umsonst arbeiten. Unser Lohn landet dann in der Werkstatt. Mit dem Zweirad gelingt es mir aber, diese Schäden zu vermeiden. Ein Zweirad lässt sich besser durch die Gefahrenquellen steuern.
Die Küche ist kalt. Ich suche die Schalter. Das Handy ist meine Taschenlampe. Die scheinbar kleinen Erfindungen machen mir den Tag wirklich leichter.
Ich möchte jetzt nicht schildern, wie um diese Zeit kalte Küchen riechen. Ihnen würde nachhaltig der Appetit vergehen. Und genau dieser Effekt wirkt auch bei einem Koch. Nicht bei allen. Jene, die etwas später kommen, werden von diesem Geruch verschont. Die werden schon mit Kaffeeduft und dem Geruch von gebratenem Speck empfangen.
Ich setze gleich eine Bagno Maria an. In der koche ich die Brühe. Hauptsache, ich muss den Ölofen nicht anschalten. Dieselgeruch am frühen Morgen würden mir die Eingeweide umdrehen. Ich könnte kein Essen abschmecken. Die glühenden Platten des Herdes würden die Raumtemperatur unerträglich machen.
Es ist neun Uhr. Ich warte auf einen Anruf. Das Handy habe ich extra an das Fenster gelegt. In der Küche geht es nicht. Die Metalleinrichtung scheint das Signal wirkungsvoll zu neutralisieren. Vielleicht ist es auch die ausgezeichnete Kellerlage unserer Küche.
Aamit, meine Küchenhilfe kommt. Eigentlich kommt er etwas später. Er fängt mit dem Abspülen an. Sonja hat ihn für den ersten Tag etwas zeitiger bestellt. Er grüßt mich freundlich. Wir kennen und von meinen früheren Einsätzen hier.
„Bist du wieder mal bei uns?“
„Ich hoffe, nur kurz.“
„Das wird sicher ein kurzer Einsatz.“
„Du weißt mehr als ich?“
„Jaja.“
„Gut. Dann werden wir mal Etwas kochen.“
„Wir haben jetzt eine Köchin.“
„Aha. Das Kind ist krank.“
„Wer macht sonst das Frühstück?“
„Die Oma.“
„Also vertrete ich jetzt die Oma und die Köchin.“
„Ja. Wie immer.“
„Ist das Haus voll?“
„Voller. Auch drüben die Wohnung.“
„Sonst noch Etwas?“
„Nein.“
Aamit weiß mehr. Er lacht. Ich muss mich überraschen lassen.
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