Sommersaison – Frühjahr


Es ist zehn Uhr. Konrad hat nicht angerufen. Ich schaue gelegentlich mal vor die Tür. Nichts. Wie scheint, kann ich allein eine Giro drehen. Mir ist nicht danach. Ich bin müde.

Ich rufe die Nummer von Konrad. Es dauert eine Ewigkeit bis ich verbunden bin. Er hat das Roaming über Deutschland aktiviert. Wenn er zwei Mal pro Jahr in Italien ist, würde ich mir doch eine Italienische Nummer beschaffen. Konrad nicht. Das scheint seinen Grund zu haben.

Konrad geht ran. Er klingt nicht gut.

„Ich mache heute frei“, antwortet er auf meine Frage.

Ich schätze Cherno hat ihn gut bewirtet. Oder, seine Knochen schmerzen noch von unserer Ausfahrt. Konrad ist in meinem Alter.

„Also, bis morgen.“

Konrad legt verdächtig schnell auf. Er scheint besoffen zu sein.

Mir bleibt nichts übrig, als ins Zimmer zu gehen.

Im Fernsehen kommen drei Programme. Zwei verstehe ich. Eins nicht. Es ist italienisch.

Ich bekomme umgehend bewiesen, mit dem Eintreiben von Zwangsgebühren, muss man sich nicht mehr um die Qualität seines Programms bemühen. Westfernsehen war früher zu DDR Zeiten schon ein Graus. Es gab nur wenige Sendungen, die uns gefielen. Deren Hauptaugenmerk lag auf Propaganda gegen Kommunisten und die DDR. Nach deren Fernsehen wurde ich oft von etwas Unsicherheit befallen. Ich bezweifelte den Selbstmord von Goebbels und den Mord an seinen Kindern durch ihn. Bei den Nachrichten. Ich bin der festen Überzeugung, einige Kinder könnten es geschafft haben, zu überleben. Die außerehelichen Kinder vielleicht.

In Südtirol gibt es deswegen Ungemach. Die Medien sind alle in einer Hand. In der Hand einer Familie. Es fehlt nur das Wahrheitsministerium. Das konnten meine Gastgeber bis jetzt verhindern. Obwohl die Kirche da einen gewaltigen Bonus inne hat. Arme Leute sind den Kirchen liebste Schäfchen.

Kaum bin ich etwas eingeschlafen, wecken mich Frauenstimmen auf dem Flur. Ich schaue auf die Uhr. Eigentlich kann ich gleich auf bleiben. Ich dachte, die Zimmermädchen sind fertig. Aber die wären zu laut.

Mir scheint, ich höre einen Schweizer Dialekt. Typisch Alpenländer. Leise ist dort ein Fremdwort. Still ist man dort nur, wenn Fremde mithören.

Ich schaue durch die Tür. Junge Frauen huschen über den Flur. In luftigen Bademänteln. Leicht bekleidet. Bei Einer habe ich den Eindruck, dort wo wir Mehr oder Weniger haben, auch Etwas zu sehen. Viel. Ich wäre schon dankbar, ähnlich gesegnet zu sein. Aber den Segen an einer Frau bewundern zu dürfen, bringt mich etwas in Zweifel.

Nach einer Katzenwäsche gehe ich zum Dienst. Sonja erwartet mich. Sie hat mir tatsächlich eine Induktionsplatte besorgt. Ich könnte die Frau heiraten vor Freude. Sonja wäre noch zu haben. Aber zwei liebe Frauen? Das ist für einen Koch, der nie da ist, eindeutig zu viel. Ich verwerfe den Gedanken schnell.

Sonja hat sich besonders her gerichtet. Sie öffnet abends eine Bar für ihre Hausgäste. Und dafür hat sie sich entzücklich hergerichtet. Südtiroler Frauen. Es könnte sich der Eindruck entwickeln, Sonja sucht einen Mann. Den Eindruck bekomme ich ziemlich oft in Südtiroler Hotels. Alle Frauen suchen hier irgendwie.

Vom Abendgeschäft bin ich positiv überrascht. Unsere Gäste kommen alle ziemlich zusammen. In knapp zwei Stunden ist meine Ausgabe beendet.

„Du musst noch die Frühstücksplatten schneiden“, sagt mir Aamit.

„Ich bin doch zum Frühstück da“, antworte ich ihm.

Jetzt weiß ich, Oma hat sich die Platten vom Koch schneiden und legen lassen.

Nach der Küchenreinigung gehe ich sofort auf mein Zimmer zum Umziehen. Ich möchte nun doch zu Joana fahren. Es ist trocken. Nichts bremst mich. Beim Umziehen höre ich wieder das Lachen von Frauen. Es hört sich etwas süffisant an. Eine Party.

Mein Motorrad ist von beiden Seiten so eng eingezwängt, dass ich kaum aufsteigen kann. Steht das Motorrad gerade, berühre ich schon fast den Spiegel des Autos auf der rechten Seite. So parken nur Dummköpfe, geht mir durch den Kopf. Vielleicht ist es auch Vorsatz? Ich schaue mir die Nummer an. Volltreffer. Das Großmaul von gestern Nachmittag.

Ich muss mich also nicht besonders in Acht nehmen. Ein paar Kratzer tun dem gut. Wenn er es unbedingt möchte. Den Spiegel treffe ich mit meinem gepolsterten Ellenbogen.

‚Geschieht ihm recht‘, denke ich mir.

Wer nicht parken kann, muss leiden.

Autor: dersaisonkoch

Meisterkoch

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