Fortsetzung Der Saisonkoch – Sommersaison


Konrad sieht nicht so aus, als hätte er sich von Trockennahrung ernährt. Irgendwie erkenne ich einen leichten Hang zu Flüssignahrung. Es sieht so aus, als würde in der Küche reichlich Wein verkocht. Neben dem Hackstock steht ein Behälter, in dem die leeren Flaschen gesammelt werden. Nun kenne ich auch den Grund für den schlechten Gesundheitszustand meines Kollegen. In der Küche stehen noch zwei Kollegen. Die sehen gesund aus. Einer stellt sich mit Slavko vor, der andere mit Petr. Den Namen nach, würde ich die Slowakei vermuten. Das erfahre ich sicher später.

Die Chefin kommt in die Küche.

„Haben wir miteinander telefoniert?“

„Ja. Karl.“

„Ulrike.“

Ulrike sieht recht flott aus. Sie hat die Figur, die ich persönlich als weiblich und reizvoll empfinde. Also kein so ein verhungerter, aggressiver Typ, der sich und seine Umwelt hasst. Ich schöpfe Hoffnung. Kurz darauf kommt auch der Chef und stellt sich mit Florian vor. In seinen Augen sehe ich, mit wem Konrad den Wein verkocht hat. Florian scheint doppelt älter als Ulrike. Ich dachte zuerst, sie sei seine Tochter. Nichts ist ausgeschlossen in unserem Gewerbe und in den Tälern Südtirols.

„Wie viele Gäste erwarten wir täglich?“

„Wir haben ein Arbeitermenü. Das sind etwa Fünfzig jeden Tag.“

Ulrike legt mir ihre Speisekarte vor. Die sieht recht zivil aus. Keine umständlichen Beschreibungen. Einfache Küche.

„Leo hat mir gesagt, du kannst mit Bussen recht gut umgehen. Die Busse, die Leo beköstigt hat, kommen jetzt zu uns. Vorübergehend.“

„Haben sich schon welche angemeldet?“

„Ja.“

Ich glaube fast, deswegen ist Konrad krank. Er kann die zusätzliche Belastung nicht organisieren. Für mich heißt das, die tägliche Belastung muss so schon grenzwertig sein. Ich muss versuchen, mit meinen zwei Kollegen darüber zu reden.

„Soll ich gleich anfangen? Was liegt heute an?“

„Frage bitte Slavko. Der ist der Zweite Koch.“

„Will Slavko nicht Chefkoch sein? Ich frage das wegen inneren Spannungen, die sich daraus ergeben.“

„Slavko ist zu kurz bei uns. Er traut sich das nicht.“

„Die zwei Kollegen haben also in diesem Jahr angefangen?“

„Nein. Im vergangenem Jahr.“

„Gut. Ich mache mich fertig. Wo kann ich mein Motorrad parken. Etwas Trockenes wäre mir am liebsten.“

„Auf dem Parkplatz an der Rückseite des Hauses findest du zwei Balkons. Dort sind trockene Plätze.“

Bei unserem Vinschger Wind ist das nicht die idealste Lösung. Aber es ist wenigstens eine.

„Was war heute das Arbeitermenü?“

„Salat, Risotto, Gulasch Knödel, Pudding.“

„Alles klar.“

Nach dem Umziehen, stellt sich Slavko persönlich vor. Er sagt mir, was sie alles schon gekocht und vorbereitet haben. An den Salaten arbeitet gerade Petr. Petr ist in meinem Alter. Er ist kein gelernter Koch. Er stellt sich aber recht professionell an. Salate erfordern eigentlich kaum handwerkliche Fähigkeiten unseres Berufes. Gelegentlich müssen wir Köche diesen Posten mit Vorprodukten versorgen. Das belastet einen Koch aber nicht unbedingt.

Petr kommt aus der Autobranche. Sein Arbeitsplatz wurde weg rationalisiert. Die Firma wurde von einer Westfirma übernommen. Dem Namen nach, wäre das Auto dieser Firma vom Volk für das Volk. In seinem Fall, scheint das nicht zu stimmen. Er hat schnell eine Umschulung bekommen.

„Warum schulen die mich für einen Beruf um, der bei uns nicht gebraucht wird?“, fragt er mich.

„Wichtig ist, du machst das gerne.“

„Schon. Ja. Aber meine Familie ist zu Hause.“

„Das geht uns auch so. Unsere Diktatoren verteilen die Arbeiter in ganz Europa, damit wir das kriminelle Gesindel nicht stürzen.“

„Du bist doch nicht etwa Kommunist?“

„Wie hast du das erraten?“

„Nur so.“

„Gut. Ich bin heute Abend noch einmal bei Leo. Hier kümmere ich mich nur um die Vorbereitung. Habt ihr Hausgäste?“

„Reichlich. Die essen a la carte oder das Tagesmenü.“

„Das Tagesmenü ist das Arbeitermenü?“

„Genau.“

„Muss ich etwas nach kochen?“

„Nein. Slavko hat genug gekocht.“

Ich probiere das Essen. Gut. Slavko hat fast meinen Geschmack. Er beobachtet meine Mine beim Probieren. Mein Gesichtsausdruck scheint ihn zu beruhigen.

„Ich muss schnell noch Leo anrufen, ob er mich unbedingt braucht heute.“

Leo nimmt ab. Agnes ist auch schon da. Ich höre sie im Hintergrund. Sie klingt etwas aufgeregt.

„Sind viele Anreisen?“

„Wir haben allen abgesagt. Im Haus sind acht Gäste. Du musst uns nicht helfen.“

„Habt ihr schon einen neuen Betrieb gefunden?“

„Wir sind in Kontakt.“

„Alles Gute wünsche ich euch. Grüße Agnes.“

„Viel Glück bei Ulrike.“

„Danke.“

Autor: dersaisonkoch

Meisterkoch der DDR

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